
#02 | 13 Fragen an Oliver Baum
Maschinenbau, Handwerk, Informatik. Die unterschiedlichen Wissensfelder, die Oliver Baum in sich vereint, bieten viele Möglichkeiten. Der 32-Jährige nutzt dieses Wissen und bietet mit seiner Hauptfirma B&M Maschinenbau GmbH Sonderanfertigungen von Maschinen-Bauteilen und Prototypenentwicklung an. Außerdem ist er mit der Braukiste e.V. auf dem PLATZprojekt vertreten, hat vor kurzem einen Volkswagen LT in einen straßentauglichen Elektro-Bulli umgebaut und ein neues Patent angemeldet.
1Hallo Olli, vielen Dank, dass ich vorbeikommen durfte. Wir befinden uns hier auf einem alten Industriegelände in Linden. Wo kommst du ursprünglich her?
Oliver: Ich bin in Linden geboren, in Davenstedt aufgewachsen und jetzt wieder in Linden. Ich komme aus einer Tischlerfamilie, die Räumlichkeiten waren nicht weit weg von hier in Linden.
2Du hast an der Fachhochschule Hannover studiert.
Oliver: Ja genau. Erst Bachelor, dann Master und nebenbei eine Ausbildung. Es war also ein duales Studium. Ursprünglich wollte ich gar nicht studieren. In der Schule war ich auch gar nicht mal so eine Leuchte. Hätte ich wahrscheinlich sein können, aber es hat mich halt nicht interessiert. Nach der Schule habe ich mich für eine Ausbildung als Mechatroniker beworben. Mein damaliger Chef hat mich dann gefragt, ob ich nicht dual studieren will. Ich habe kurz überlegt, aber besser geht es ja eigentlich nicht.
3Der Studiengang hieß Computerbased Calculations. Was genau ist das?
Das ist der krasseste Scheiß. (grinst) Finite Elemente berechnen. Eigentlich wollte ich gar keinen Master mehr machen, sondern zusätzlich noch Design studieren. Allerdings hat sich das Curriculum für den Master so interessant angehört, dass ich mir dachte: “Das musst du machen!” – War auch geil. War zwar auch harte Materie, viel Mathematik und Informatik, aber sehr praxisbezogen. Finite Elemente berechnen bedeutet eigentlich, dass man komplizierte Elemente, zum Beispiel ein Bauteil, in viele einfache Teile zerlegt und dann berechnet, was in jedem Einzelteil passiert. Zum Beispiel dieser Stuhl: Wenn man sich hier anlehnt, dann verbiegt der sich ja ein bisschen. Wie genau der sich verbiegt, lässt sich von Hand aber gar nicht mehr ausrechnen, weil der Stuhl keine einfache Geometrie hat. Anhand von 3D Modellen kann ein Computer den Stuhl in kleine Stäbe zerlegen, sogenannte finite Elemente. So lässt sich vorhersagen wie der Stuhl sich verbiegt, wenn man sich anlehnt. Es kann also vorhergesagt werden, ob Bauteile halten oder nicht. Es lässt sich quasi in die Zukunft schauen. Der nächste Schritt ist dann generatives Design. Das verbindet das Konstruieren mit finiten Elementen. Ich sage wo welche Kräfte auftauchen und aus welchem Material das Bauteil sein soll und der Computer gibt mir Entwurfsvarianten. Das ist das härteste Zeug.
4Was sind deiner Meinung nach, neben der Material- und Gewichtseinsparung, weitere Vorteile von generativem Design?
Oliver: Es wird eine interessante Zukunft mit dem Thema. Das ist ja eigentlich wie Evolution oder Gott spielen. Also der Computer spielt. Effektiv wird es darauf hinauslaufen, dass man keinen Designer mehr braucht, weil es für jedes technische Problem nur eine perfekte Lösung gibt. Und die Aufgabe erledigt der Computer. Das Schwierige ist, die Annahmen vernünftig zu treffen. Aber das ist dann halt die Aufgabe des Ingenieurs. Wie wirken welche Kräfte usw.
5Arbeitest du aktuell an einem solchen Projekt?
Oliver: Ich habe vor kurzem für einen Kunden einen Schraubenschlüssel mit generativem Design optimiert. Der Schlüssel war sehr groß und dementsprechend schwer. Das Endergebnis war dann sehr viel leichter und stabiler, als das Ausgangsprodukt. Ein weiteres Projekt, was zuletzt viel Zeit in Anspruch genommen hat, war die Entwicklung eines Energiesparproduktes. Das Produkt heißt DuwaW und wird in den Wasserkreislauf beim Duschen integriert. Dadurch lassen sich ca. 30% der Energie für die Warmwasseraufbereitung einsparen. Es nutzt im Prinzip die Energie des abfließenden Wassers und heizt das zufließende Wasser vor. Ich bin sehr überzeugt davon. Die Zahlen sprechen für sich. Deshalb wurde auch ein Patent angemeldet.
6Dein Unternehmen heißt B&M Maschinenbau GmbH. Wofür steht das M?
Oliver: Im Namen steckt noch ein Herr Müller. Der war sein Leben lang in der Pipeline-Branche tätig und hat mir beigebracht, dass quasi nichts unmöglich ist. Wir haben zusammen eine patentierte Pipeline-Biegetechnik auf den Markt gebracht, deshalb steckt er auch im Namen. Wir haben uns in der Firma kennengelernt, wo ich meine Ausbildung gemacht habe. Inzwischen ist er aber wieder in seine Heimatstadt nach Essen gezogen.
7Gibt es weitere Mitarbeiter?
Oliver: Nee, ich habe keine Lust mich um Jemanden zu kümmern. Ich arbeite gerne, das ist ja auch alles irgendwie mein Hobby. Meine Maschinen nehmen mir halt eine Menge Arbeit ab, die haben im Schnitt auch weniger ‚Krankheitstage‘ als Menschen.
8Einiges muss aber natürlich nach wie vor von Hand gemacht werden. Wie ist dein Verhältnis zur Handarbeit und zum Handwerk?
Oliver: Ich arbeite gerne mit der Hand. Aber auch gerne mit Maschinen. Maschinen sind halt praktisch, weil sie mir Arbeit abnehmen und ich dadurch eine Menge Zeit spare. Ich würde lieber mehr mit der Hand arbeiten. Ich schweiße gerne, schleife gerne, bohre gerne. Aber die Arbeit am Computer wird viel besser bezahlt, als die Handarbeit. Das ist in meinen Augen ein Problem.
9Ein häufig zitierter Leitsatz aus dem Produktdesign und der Architektur ist: Form follows function. Wie stehst du dazu?
Für mich ist die Funktion immer das wichtigste. Ich finde Sachen halt gut, wenn sie funktionieren. Wenn etwas funktioniert, finde ich es auch schön. Sachen die nur schön aussehen und nichts können, finde ich sinnlos. Klar gibt es Ästhetik und schöne Formen und wenn es sich mit der Funktion kombinieren lässt, bin ich auch ein Freund davon. Aber ich würde niemals etwas entwerfen, nur damit es gut aussieht und dadurch Funktionalität einbüßen.
Wer Olli bei der Arbeit über die Schulter schauen möchte, klickt am besten hier vorbei @maschinenbaum - © hannar.de
10Themenwechsel: Du bist auch beim PLATZprojekt mit der Braukiste vertreten. Wie kam es dazu?
Oliver: Irgendwann war etwas Zeit und Platz in meiner Wohnung. Dann habe ich halt angefangen Bier zu brauen. Da ich einige vom PLATZ bereits kannte, haben die dann gesagt: “Komm doch hier her in einen Container.” Und dann ging das da weiter. Ich habe das Projekt mit zwei Kumpels angefangen, die jetzt aber nicht mehr dabei sind. Inzwischen ist die Braukiste ein Verein. Das ist auch ganz gut. Braukiste e.V. – und ich bin halt Vorstand, 1. Vorsitzender oder wie das heißt. Ich kann mir aber auch gut vorstellen, dass das irgendwann mal wer anderes macht. Hier sind einige motivierte Jungs dabei, aber wir müssten noch ein paar Leute mehr werden, damit sich das irgendwann selbst trägt. Ist ja für alle nur ein Hobby.
11Was genau bietet ihr in der Braukiste an?
Oliver: Braukurse. Wir wollen vermitteln, dass es gar nicht so schwer ist Bier zu brauen. Die Kurse werden auch gut angenommen. Die Kursteilnehmer können ihr selbst gebrautes Bier am Ende des Kurses mitnehmen. Aber wir sind viel zu günstig. Man kann natürlich auch Vereinsmitglied werden und die Braukiste dann nutzen.
12Bei einem weiteren Projekt hast du deinen VW Bulli zu einem vollelektrischen straßentauglichen Fahrzeug umgebaut. Komplett in Eigenleistung?
Oliver: Ja. Die Komponenten lassen sich alle kaufen. Das Projekt wurde vom Bund gefördert, sonst hätte ich es nicht gemacht. Trotzdem habe ich bei dem Projekt draufgezahlt. Das Ding rechnet sich vielleicht in 10 Jahren. Für die Stadt ist der Elektrobus super. Es kann auch nicht mehr viel kaputt gehen, es sei denn die Karre brennt mir komplett ab. Trotzdem ist Elektromobilität irgendwie die falsche Richtung. Der Akku ist ein großes Problem.
13Was wäre deiner Meinung nach eine gute Alternative?
Oliver: Die Leute müssen einfach zur Vernunft kommen. Das Konzept, alleine mit dem Auto durch die Gegend zu fahren, ist totaler Schwachsinn. Hier in der Stadt bin ich hauptsächlich mit dem Lastenrad unterwegs. Damit kann ich fast alles machen. Man könnte die Straßen in der Stadt durch überdachte und beheizte Rollbänder ersetzen. Das wäre günstiger und würde weniger Energie kosten, als das jeder mit einem Auto fährt. Aber: Die Auto-Lobby in Deutschland ist einfach zu mächtig.
+1Ist dein Lastenrad auch selbst gebaut?
Oliver: Nee. Ich baue ungern etwas, was es schon gibt.
B&M Maschinenbau GmbH Badenstedter Straße 46A 30453 Hannover